Unsere "Entstehungsgeschichte"

Das Leben könnte so einfach sein: Verliebt, verlobt, verheiratet...und Kinder! So der kosmische Plan. Nicht für uns. Lest, was passiert, wenn der Plan nicht aufgeht und doch alles irgendwie zusammen passt. Ein Post zum Lachen, Nachdenken und Mut machen.

Alles begann vor über zehn Jahren. Mein Mann und ich waren schon seit einigen Jahren zusammen, 
hatten geheiratet und waren bereit für den nächsten, logischen Schritt: Kinder.
Blöd nur, dass die so gar nicht kommen wollten. Wir verschlangen jegliche Fachliteratur zum Thema schwanger werden, klammerten uns an den profanen Spruch "So was klappt halt nicht sofort". Das "sofort" dauerte 2 Jahre. Dann holten wir uns medizinischen Rat. Unzählige Untersuchungen und mehrere Tausend Euro später waren wir noch immer nicht viel schlauer. Wir waren "reproduktiv eingeschränkt" wie es im Fachjargon heißt. Doch niemand wusste warum. Die Fragen von Freunden 
und Verwandten " wann es denn endlich soweit wäre" wurden nach und nach weniger und obwohl genau das früher so genervt hatte, machte es mir nun Angst. Ich war  fast 35 Jahre alt, hatte einen tollen Mann und im Job einiges erreicht....nur das eben nicht. 
Es zehrte mit der Zeit an uns beiden. Die vielen Untersuchungen, geplante Zyklen, Hormonbehandlungen und mehrere Inseminationen. Wir waren nur noch auf das Ziel "Kind" ausgerichtet. Kurz vor Weihnachten  2005 mochte ich mich selbst nicht mehr leiden. Aufgedunsen von Hormonen, unzufrieden über meine  (und insgeheim auch seine) Unfähigkeit, das Ersehnte zu 
erreichen. Selbst Besuche im bekannten schwedischen Möbelhaus wurde zur Tortur. Überall liefen 
Schwangere herum und ärgerten mich mit ihren runden Kugeln, die sie wie selbstverständlich vor sich her trugen. Ich gönnte es ihnen nicht. Schlimmer noch waren Schwangere in der näheren Bekanntschaft. Was hatten "die" schwanger zu sein, wenn ich es nicht schaffte.
Mir graulte vor dem Weihnachtsfest im trauten Familienkreis. Ich war der festen Überzeugung, dass sie mich mitleidig beobachten würden, wussten sie doch, dass keiner unserer Versuche funktioniert hatte. Als ich an dem Abend das Geschenk meines Mannes auspackte, musste ich lachen und Weinen zu gleich: Er hatte in einem hübsch dekorierten Schuhkarton, versteckt unter einem Berg von Süßigkeiten, einen Kauknochen verpackt!
Er wusste, wie sehr ich mir einen Hund wünschte, hatte sich jedoch seit Jahren mit Händen und 
Füßen gewehrt, da "die doch so viel Arbeit machen".
Ich bin mit Hunden aufgewachsen und hatte erbittert dafür gekämpft, dass er seine Meinung ändert. Ich versuchte es mit zuckersüßer Überredung nach dem Motto:" Du brauchst dich um nichts zu kümmern, ich mache alles alleine", bis zu nervigen Quengeleien:" Wenn ich keinen Hund haben darf, dann liebst Du mich nicht...". Schrecklich, ich weiß. Und doch schien mein Mann genau den 
Zeitpunkt gefunden zu haben, an dem ein Hund mich buchstäblich aus dem Sumpf der Reproduktionsmedizin heraus zog.
Gleich nach dem Feiertagen zogen wir los. Mit Unterstützung meiner Schwester klapperten wir erst die Tierheime ab. Ohne Erfolg. Wir hatten uns geeinigt, einen jungen Hund aufzunehmen, doch es waren keine abzugeben. Fieberhaft studierte ich die Kleinanzeigen und wurde fündig. In Kremmen gab es einen Bauernhof, auf dem Dalmatinermischlinge ein Neues zu Hause suchten.
Ich vereinbarte mit den Besitzern gleich für den nächsten Tag einen Termin. Als wir auf dem schneebedeckten Hof ankamen, hörten wir schon Hundegebell und mir war sofort klar, dass ich nicht 
ohne "meinen" Hund wegfahren würde.
So kam es auch. Sie hatten drei Welpen dort, von denen zwei wild miteinander spielten. Der Dritte saß an der Seite und beobachtete uns still, aber neugierig. Als er langsam näher kam und meine Hand ableckte, war es beschlossen: "Mirakel" kommt mit!
Auf der langen Fahrt nach Hause lag er zitternd in meinem Arm und schniefte ganz jämmerlich. 
Dann übergab er sich über meine Jacke. Egal, ich war glücklich...und mein Mann seltsamer Weise auch. 
Die Monate vergingen. Wir tauften unser "Söhnchen" um in "Poldi", das passte viel besser zu unserem tollpatschigen verschmusten Hund. Nach einem halben Jahr, in dem niemand mehr das Wort "Kinderwunsch" in den Mund nahm und sich alles um Poldi drehte, waberte es langsam wieder hoch: Dieses schreckliche Gefühl, nicht alles gegeben zu haben. Klar, Poldi war toll. Doch war ich nicht eine derjenigen, die andere müde belächelte, wenn sie ihr Haustier zum Kindersatz umfunktionierten?! Ich musste es noch einmal wissen, noch einen Versuch im Kinderwunschzentrum 
wagen. Dieses Mal das komplette Programm: ICSI. Wer sich nicht mit den Begrifflichkeiten 
auskennt: es handelt sich um eine künstliche Befruchtung (IVF) außerhalb des. Körpers, bei der der Samen des Mannes zusätzlich in das Ei injiziert wird, um die Befruchtung zu begünstigen. Da die Vorbereitung (Hormonspritzen, Untersuchungen etc.) langwierig ist, waren wir erst im Spätsommer so weit, den Transfer der befruchteten Eier durchzuführen.
Uns war klar, dass es keinen neuen Versuch geben würde. Alles oder nichts. Unsere Arztrechnungen beliefen sich auf die Summe eines Kleinwagens, doch das war nicht das Entscheidende. Es sollte irgendwann gut sein. Wir hatten nun wirklich alles getan, es lag nicht mehr in unserer Hand.
Hatte ich zunächst Angst vor dem Transfer, war ich doch zum Zeitpunkt der Rückgabe der 
befruchteten Eier unheimlich ruhig. Ich hatte abgeschlossen, es gab nichts mehr zu tun.
Leider war die Ruhe trügerisch. Nach 14 Tagen sollte ich zum Bluttest, bei dem festgestellt wurde, ob ich Schwangerschaftshormone hatte, oder nicht. Ich hasste diese Blutabnahmen. Zu oft hatte ich sie machen müssen, um später im Telefonat den Satz:"es tut mir leid, es hat dieses Mal nicht geklappt" 
zu hören. Vor jeder Schulprüfung war ich entspannter. Ich ließ meinen Mann anrufen und wappnete 
mich gegen den letzten, finalen Tiefschlag. Trotzdem wollte die Hoffnung sich nicht vertreiben lassen und ich schielte verstohlen zu ihm herüber, um seinen Gesichtsausdruck zu deuten. Er nickte bedächtig, aber mehr als ein "hm" war nicht zu verstehen. 
Er legte auf, sah mich an und grinste. Er grinste tatsächlich!!! Bei diesem warmen Gefühl, dass sich in mir ausbreitete, kommen mir noch heute die Tränen. Meine Hände zitterten und ich wusste nicht, was ich zuerst machen sollte. Wir umarmten uns und ermahnten uns, nicht zu euphorisch zu sein. Zu lange hatten wir auf das "herzlichen Glückwunsch, es hat geklappt" gewartet. Wir warteten die ersten 3 Monaten, bis es die Familie und danach die Freunde erfuhren.
Ich liebte es, schwanger zu sein. Die knappsten Umstandshemden waren meine. Jeder sollte sehen, 
dass wir ein Kind erwarteten. Ins schwedische  Möbelhaus ging ich nun lieber, als je zuvor. Gab es 
dort doch jede Menge Inspiration fürs Kinderzimmer. Für meine Umwelt war ich nun sicherlich nicht leichter zu ertragen als vorher, gab es doch kaum ein anderes Thema, als unser "Böhnchen".

Nachdem unser Böhnchen geboren war, brach ein neues Kapitel in unserem Leben an.
Wir waren jetzt kein Paar mehr. Wir wurden zur Familie.
Ich kann mich noch gut an den Satz einer Freundin erinnern, die zu mir in der Schwangerschaft 
folgenden Satz sagte:" Na hoffentlich könnt ihr damit umgehen. Die Erwartungen an ein Kind, für das man so viel tun musste, sind hoch!" Mich kränkte dieser Satz, hatte ich doch fest beschlossen, Böhnchen so unbefangen wie möglich aufzuziehen. Und doch rief ich ihn mir ab und an ins Gedächtnis, wenn ich Gefahr lief, das Kind zu sehr zu stilisieren.
Auch das mag dazu geführt haben, dass ich ganz schnell ein Geschwisterkind wollte. Der Haken war jedoch, dass wir ja noch immer auf natürlichem Wege kein Kind bekommen konnten. Und nochmal die ganze ärztliche Prozedur durchzustehen, kam für uns nicht in Frage. Den Ausweg aus der 
Zwickmühle zeigte uns ausgerechnet "Söhnchen Nr. 1", Poldi.
Durch meine täglichen Spaziergänge mit ihm und Böhnchen hatten wir regen Kontakt mit anderen Hundebesitzern. Darunter war auch ein älteres Paar, das plötzlich mit einem Kinderwagen Gassi ging.  Meine neugierige Frage, ob das ihr Enkelkind sei, wurde mit einem herzhaften Lachen beantwortet. 
Das Baby im Kinderwagen sei ein Pflegekind, was sie nach seiner Herausnahme aus der Familie vorübergehend bei sich aufgenommen hätten, erklärten sie geduldig. Ich wurde hellhörig und betrachtete die niedliche kleine Maus mit dem runden Gesicht und den großen Kulleraugen nachdenklich. Ein Pflegekind aufnehmen....auf diese Idee war ich in den ganzen Jahren nicht einmal gekommen. Ich informierte mich ausgiebig über die Thematik und überredete meinen Mann, eine Bewerbung als Pflegeeltern beim Jugendamt abzugeben. Mir war nicht bewusst, wie händeringend 
Eltern gesucht werden, die Kinder, die nicht zur Adoption freigegeben, aber auch nicht nach Hause 
können, bei sich aufnehmen. Allein in Berlin gibt es 700 Pflegekinder, die eine neue Familie suchen.
Unsere Überprüfung und Schulung durch das Jugendamt dauerte ein knappes Jahr. In der Zeit trafen wir uns sehr häufig mit dem älteren Paar, die als Krisenpflegeeltern noch immer die kleine Maus bei sich hatten. Sie sollte eigentlich wieder in ihre Herkunftsfamilie zurück, doch die Zustände dort waren katastrophal. Ich wagte den Vorstoß und sagte dem Jugendamt, dass wir genau diese kleine  Maus zur Dauerpflege bei uns aufnehmen wollten. Zuerst sagte man uns, das ginge nicht, da noch Gerichtsentscheide ausstehen würden.
Doch dann, als die Maus 13 Monate alt wurde, stimmte man überraschend unserer Bitte zu. Von da an ging alles sehr schnell. Durch den Umstand, dass wir mit ihren Krisenpflegeeltern eng im Konatkt standen, kannte sie uns schon sehr gut und hatte oft mit ihrer zukünftigen Schwester gespielt. Es war einfach ideal. Das ältere Paar blieb uns auch nach der Übergabe in unsere Familie bis heute erhalten. Dieses Mal als Oma und Opa. Für beide Mädels. Für sie war die Maus ihr letztes Pflegekind 
gewesen.
Die erste Zeit war kein Zuckerschlecken. Die Maus weinte und schrie nachts, hatte Probleme, in die 
neue Familie hineinzuwachsen. Egal wie sanft wir den Übergang gestaltet hatten, ein Abbruch blieb ein Abbruch und war traumatisch. Ich weiß nicht mehr, wie viele Nächte einer von uns an ihrem Bett verbracht hatte, wenn die kleine Kinderseele litt. Es belastete uns alle. Und doch wurde der Zusammenhalt von Tag zu Tag stärker. Auch unsere leibliche Tochter, die nur 5 Monate älter ist, hatte damit zu kämpfen. Umso schöner waren die Momente, wenn wir mit Ihnen mit dem 
Zwillingskinderwagen unterwegs waren und sich jeder an den süßen "Zwillingen" erfreute. Ich machte mir gar nicht erst die Mühe, alle diese Leite aufzuklären. Im Gegenteil, es freute nicht, dass sie so wahrgenommen wurden.
Tja, das war die Geschichte, wie Kind Nr. 2 zu uns gelangt ist und aus einer Tochter  nach anderthalb Jahren ein "Zwillingspaar" wurde.
Wer denkt, das war schon alles, sollte unbedingt weiterlesen:

Durch den Einzug der kleinen Maus wurden wir zur typisch deutschen Familie, die durch das zweite Kind die Norm von 1,3 Kindern (wie das faktisch aussieht würde ich gerne sehen) pro Familie mehr als erfüllt hat. Es war auch nicht so, dass uns die beiden Mädels nicht ordentlich auf Trab hielten...und doch entschlossen wir uns, es nicht bei den beiden zu belassen.
Dekadent, mag nun manche Leserin denken, die noch immer einen unerfüllten Kinderwunsch hegt. Recht hat sie! Und doch hatte dieser Kinderwunsch ganz andere Hintergründe. Unsere Pflegetochter war gerade 2 Jahre bei uns, als sich ihr leiblicher Vater aus der Versenkung über das Gericht meldete. Urplötzlich zeigte er Interesse, seine Tochter, die er verwahrlost zurückgelassen hatte, wieder zusehen.
Es begannen Kontakttermine, begleitet durch einen Träger des Jugendamtes, die für alle Nervenaufreibend waren. Der "Vater" erschien nur sporadisch, drohte uns dann per SMS, dass er den Aufenthaltsort der Maus herausfinden würde und wir dann schon sehen würden, was passiert.

Schließlich erschien er gar nicht mehr. Unsere Tochter reagierte heftig, wenn ein solcher Termin stattfand. Sie schrie und weinte nachts, war während und nach dem Kontakt apathisch. Das Schlimmste jedoch war unsere Hilflosigkeit. Es gab keine rechtliche Möglichkeit, den Kontakt zu unterbinden. Als Erzeuger hat er das Recht, wann immer ihm der Sinn danach steht, Kontakte einzufordern. Schließlich gab es einen Gerichtstermin, nachdem er nach langer Abwesenheit beantragte, die Maus zurück zuführen, obwohl er sie in drei Jahren nur drei Mal hatte sehen wollen. Wir durften gar nichts dazu sagen, uns nur beleidigen lassen. Den Richter beleidigte er auch, somit verteilte er immerhin seine Unfähigkeit, sich an Regeln und Gesetze zu halten, gerecht.
Und doch wurde ihm erneut das Recht eingeräumt, die Maus zu sehen.
Und, wenn er es dieses Mal schaffte, regelmäßig die Kontakte wahrzunehmen, sie auch zu sich zurückzuholen.
Wir waren zutiefst schockiert. Und deprimiert. Darauf waren wir nicht vorbereitet. Die Maus war Gott sei Dank zu jung, um zu begreifen, was sich im Hintergrund abspielte. Sie war fest integriert in unsere Familie. Für sie gab es nur einen "Papa".... Und ihre Schwester, unser Böhnchen.
Wir allerdings zitterten, dass wir sie an diesen Menschen, der offiziell bescheinigt bekam, ein Soziopath zu sein, zurückgeben zu müssen.
Wenn es ihm allein um das Kind gegangen wäre, hätten wir vielleicht Verständnis für sein Ansinnen gehabt. Doch ihm ging es nur darum, sich gegen den Gerichtsbeschluss aufzulehnen, der ihm etwas auferlegte, was ihm nicht passte.
Auch an unser erstes Kind bangten wir. Was geschah mit der kleinen Kinderseele, wenn ihre Schwester  -als nichts anderes kannte sie sie- aus der Familie gerissen wurde?
Wir diskutierten heftig miteinander und kamen überein, es nochmal zu wagen und erneut die Kinderwunschklinik aufzusuchen. Ich hasste es, hatte ich doch gedacht, das ganze ärztliche Prozedere nicht noch einmal durchlaufen zu müssen. Was man seinem Körper damit antut ist die eine Sache. 
Viel schwerwiegender war für mich der psychologische Aspekt.
Damit meine ich nicht nur das Bangen und Hoffen, die Stimmungsschwankungen durch die 
Hormone. Vielmehr die Unpersönlichkeit des ganzen Prozederes greift die Nerven an. Bei fast jedem Termin fragte uns der Arzt, was bisher versucht wurde. Niemand schien sich die Zeit zu nehmen, vorher in die Akte zu sehen. Noch unwürdiger war das Verfahren nach dem Transfer der befruchteten Eizellen: noch auf Bett liegend, mit dem man in ein extra Zimmer geschoben wurde, legte mir die Ärztin einen Umschlag mit der Rechnung auf den Bauch! Das damit einhergehende entschuldigende Lächeln hätte sie sich sparen können. Noch heute frage ich mich, warum das so gehandhabt wurde, zumindest in unserer Klinik. Wollte man sich das Porto sparen. Hatten sie Angst, es würde uns etwas zustoßen, bis uns die Rechnung auf dem Postweg erreichte. Ich finde diese Verfahrensweise sehr unwürdig. Und ich sagte es auch der Ärztin, nachdem wir wieder einen Versuch, diesmal mit eingefrorenen Eizellen aus dem letzten Behandlungszyklus, hinter uns hatten. Immerhin schien sie ehrlich betroffen zu sein und sagte uns, dass sie an die Richtlinien der Klinik gebunden sei.
Später erfuhr ich, dass sie dort kurze Zeit später nicht mehr tätig war.

Dass sie für sich die Konsequenz aus diesen Patientenfeindlichen Vorgaben der Klinik gezogen hat, ist nur Spekulation. Ich hoffe aber, dass es so war.

Nach einem fehlgeschlagenen kompletten weiteren Versuch bei einem anderen Arzt, wollte ich nicht mehr.
Die Worte des Arztes bei der Nachbesprechung wollten mir dann aber doch nicht aus den Kopf gehen. Er war sich sehr sicher, dass ein weiterer Versuch Sinn mache würde. Wir hätten gute Vorraussetzungen gehabt und sollten es uns überlegen. Es folgten weitere schlaflose Nächte. Die Sorge um die Rückführung der Maus, die Konsequenz für den Rest der Familie und die Entscheidung, doch noch einen Versuch zu starten, zerrten an uns beiden.
Die Hoffnung siegte und wir waren uns einig diesen einen letzten Versuch durchzuziehen. Endgültig.
Ich ging dieses letzte Mal anders in den Zyklus. Ich war nicht mehr aufgeregt, sah es als Abschluss und Entscheidung des Schicksals an. Ich bangte und hoffte nicht mehr. Vielleicht war ich auch 
einfach nur zu müde....
Als die Zeit zur Blutentnahme und damit zum gefürchteten Anruf kam, ob ich schwanger geworden war, kniff ich. Ich schwänzte die Blutentnahme. Ich machte keinen Termin zur Besprechung mit dem Arzt ab.
Es fühlte sich so gut an! Ich lebte mein Leben weiter, ohne die Gewissheit, ob der letzte Versuch Erfolg gehabt hatte. Kurios waren dabei zwei Dinge:
-Die Kinderwunschpraxis meldete sich erst ein ganzes Jahr (!) später und fragte nach, ob ich schwanger geworden war. Soviel zum Thema Patientenfürsorge.
-Mein Mann traute sich nicht zu Fragen, wie das Ergebnis ausgefallen war. Er wusste nicht, dass ich nicht zur Blutentnahme gegangen war und dachte, sie sei negativ gewesen.
Als ich deutlich "drüber" war, machte ich selbst einen Schwangerschaftstest. So wie jede Frau, die auf natürlichem Wege schwanger werden konnte. Meine Gleichgültigkeit war verschwunden. Mir zitterten die Hände, als ich das Ergebnis ablas: positiv!

Ich konnte und wollte es nicht fassen. Nach vielen Tränen der Fassungslosigkeit und der 
Erleichterung nahm ich den Test, legte ihn in eine Schachtel, zusammen mit zwei Babyschühchen, und schmuggelte sie in die Arbeitstasche meines Mannes.
Wenige Stunden später rief er an. Ebenso fassungslos wie ich.
Ungefähr neun Monate später wurde unser Sohn geboren. Er ist und wäre nie ein Ersatz für unsere Maus gewesen. Auch wenn ich ehrlich zugeben muss, dass wir die weiteren Versuche vielleicht nicht unternommen hätten, wenn wir nicht in der Angst gelebt hätten, dass unserem Böhnchen die Schwester genommen wird.
Gott sei Dank ist sie uns nicht weggenommen worden. Zumindest noch nicht. Sie wird nun bald Sieben und der leibliche Vater hat sich seit Jahren nicht mehr gemeldet.
Doch das heißt nichts. Er hat jeder Zeit das Recht, erneut Kontakt zu beantragen und eine Rückführung ins Auge zu fassen. Damit müssen wir leben, hoffen jedoch, dass die Zeit für uns arbeitet. Die Maus ist bald so alt, dass auch ihre Meinung gehört werden würde.

Im nächsten Beitrag geht es um unseren Murkel:


Nach seiner Geburt waren wir überglücklich, doch schon wenige Tage später brach die Welt für uns zusammen....
Unser Murkel durfte nach den üblichen drei Tagen nach der Entbindung mit uns nach Hause. Die Freude war riesig, die Mädels konnten ihre Hände nicht von ihrem Brüderchen lassen.
Für uns war soweit alles normal. Der Kleine schlief, weinte und trank....so wie jedes andere Neugeborene auch.
Als ich jedoch an Tag 3 zu Hause tief in seine Augen sah, bemerkte ich etwas Seltsames: In beiden Augen zeigte sich in der Mitte der Pupille ein winziger heller Punkt. Ich hielt es zuerst für eine Spiegelung und ging mit ihm zum Licht. Doch die Punkte blieben. Beunruhigt holte ich meinen Mann. Der sah es nun auch und hatte keine beruhigende Erklärung parat. Am selben Tag kam die 
Nachsorgehebamme und wurde gleich mit Fragen bombardiert, ob das denn normal wäre. Sie blieb ganz ruhig und schätze sich ausgiebig seine Augen an. Dann folgte ein Kopfschütteln. So etwas hatte sie in den 20 Jahren ihrer Tätigkeit noch nie gesehen.
Angst kroch in mir hoch. Kaum war sie weg, setzten wir uns ans Internet. Schnell wurde wir fündig: Unser Murkel hat einen beidseitigen Katarakt, auch Grauer Star genannt.
Mir blieb die Luft weg, die Tränen stiegen mir in die Augen. Das konnte, das durfte doch nicht wahr sein! Wieso hatte das im Krankenhaus niemand gesehen? Was hieß das für unser Kind? Weitere Recherchen ergaben, dass es sich um eine Fehlbildung der Augen handelt, die bereits im Mutterleib entwickelt wird. Es ist selten, doch nicht Einzigartig.
Den grauen Star kannte ich nur als altersbedingte Augenkrankheit. Doch die Auswirkungen waren die gleichen: Ohne Operation droht Erblindung.
Es war Wochenende, als wir das alles herausfanden. Wir wollten Gewissheit, sofort.
Nach einigen Telefonaten, bekamen wir tatsächlich einen Termin bei unserer Augenärztin. Sie war sehr verständnisvoll, traute sich jedoch keine Prognose zu, da sie auf dem Gebiet keine Erfahrung 
hatte.
So fuhren wir in die Augenklinik, warteten viele zermürbende Stunden in der Natfallbehandlung und waren dankbar, dass wir die Kinder so kurzfristig fremd betreuen lassen konnten. Dann waren wir endlich an der Reihe. Nach zahlreichen Untersuchungen kam die Diagnose : grauer Star auf beiden Augen. Allerdings waren die Punkte so zentral und winzig, dass er damit sehen lernen konnte.
Welche Erleichterung! Wieder liefen die Tränen. Dieses Mal vor Erleichterung. Wir wurden an unsere Augenärztin verwiesen, die alle drei Monate nachschauen sollte, ob sich etwas verändert hatte.
Zehn Monate wähnten wir uns in Sicherheit. Er schielte zwar oft, doch das war in dem Alter nicht ungewöhnlich, teilte man uns mit. Dann kam die erneute Routineuntersuchung. Und der Schock: der Star war gewachsen.



Wieder fuhren wir bangen Herzens zu den Spezialisten in die Augenklinik. Dieses Mal war der Besuch ernüchternder. Murkel musste operiert werden, sonst drohte die Erblindung. In unserem "Fall" hieß das, dass ihm beide Augenlinsen entfernt werden mussten.
Ich war verwirrt. Wie kann man ohne die Linsen sehen? Ich ging mein spärliches Wissen durch. Die Linse brach das Licht und ermöglichte das Scharfsehen. Das war alles, was ich mit Bestimmtheit wusste.
Letztendlich, so klärte man uns auf, könne ein Baby ohne Linsen, nie sehen lernen. Es braucht Linsen. Künstliche Linsen, wie sie oft beim Katarakt verpflanzt werden, kamen jedoch nicht in Frage. Das Auge des Kindes wächst noch. Die Linse müsste mehrmals ausgetauscht werde. Das geht beim Auge nicht, zumindest nicht mehrmals. Und nun?
"Er bekommt nach der Operation Kontaktlinsen, die sie entsprechend einsetzen und wieder herausnehmen müssen", lautete die Auskunft.
Ich war schockiert. Ich hatte bei mir selbst oft Kontaktlinsen gewechselt. Doch bei einem Baby?
Es folgten insgesamt 3 Operationen. Erst wurden beide Linsen entfernt. Dann wurden die Augen 
vermessen und vorläufige Linsen angepasst. Die letzte OP diente dem Fädenziehen.
Er ließ alles tapfer über sich ergehen. Selbst die desolaten Zustände bei unserem stationären Aufenthalt lächeltet er weg.
Danach bekamen wir eine Einweisung, wie die Linsen einzusetzen und zu entfernen sind.
Leider war es damit noch nicht getan.

Die Operationen waren überstanden und wir hofften auf Normalität. Doch wie normal ist der Alltag mit einem 12 Monate alten Baby, das frisch operiert ist und vorerst abgeklebte Augen hat?
Wir mussten die Augen mit Salbe versorgen, was dem Murkel so gar nicht gefiel. Nach einer Woche konnten die vorläufigen Linsen angepasst werden. Wer nun denkt, dass damit alles im Lot gewesen wäre, hat weit gefehlt.
Die Orthopistin in der Augenklinik verschrieb uns teure Speziallinsen, die man nur einmal in der Woche wechseln musste. Das erleichterte uns ungemein, dachten wie doch, die Linsen täglich wechseln zu müssen. So weit die Theorie. Die erste Linse war nach zwei Tagen aus dem Auge verschwunden. Weg. Finito. Wir suchten den ganzen Abend, leuchteten die Fußböden aller Räume ab, leerten nach vier Stunden sogar Staubsaugerbeutel und Mülleimer aus. Nichts.
Das gute Stück kostete um die 100 €. Das war noch nicht mal das größte Problem. Die Nachbestellung aus Amerika dauerte vier Wochen. Das bedeutete 28 Tage, an denen Murkel nicht sehen lernen konnte. Ja, es ging nicht nur darum, dass er ohne Linse quasi blind war. Uns wurde nach der OP erklärt, dass Kinder bis zum dritten/ vierten Lebensjahr korrektes Sehen lernen. Was ihr Auge bis dahin nicht gelernt hat, werden sie auch nicht mit den besten Hilfsmitteln lernen können.
Das waren die kleinen Feinheiten, die uns nach und nach mitgeteilt wurden.
Die fehlende Linse haben wir tatsächlich doch noch gefunden. Am nächsten Tag. Im Kindersitz. Sie war noch zu retten, da diese Linsen aus einem speziellen Material bestehen, die 24 Stunden ohne Flüssigkeit auskommen. Mir fiel ein Stein vom Herzen.
Leider hielt die  Euphorie nicht lange an. Eine weitere Woche später war wieder eine weg. Dieses Mal endgültig. Unnötig zu schreiben, dass wir auch wieder mehrere Stunden hektisch suchten.

Wir bestellten am nächsten Morgen eine neue Linse über die Augenklinik. In den nächsten vier Wochen trug der Murkel eine Spezialbrille, damit er zumindest irgendetwas sehen konnte. Was, oder wie viel konnte uns niemand sagen. Die Brille war durch die dicken Gläser sehr schwer, immerhin lagen seine Werte bei 19 Dioptrien. Auch das ertrug er ohne Geschrei, versuchte auch nicht, die Brille     loszuwerden. Als die ersehnte Linse endlich da war, hatten wir genau vier Tage Ruhe. Uns war nicht klar, wie er es machte, aber er ließ erneut eine Linse verschwinden. Wieder stundenlanges erfolgloses Suchen und vier Wochen warten. Langsam wurden wir paranoid. So wie wir wieder Linsen einsetzen konnten, beobachteten wie den Murkel misstrauisch. Als wie feststellten, dass wir ihm alle halbe Stunde mit der Taschenlampe in die Augen leuchteten, war es fast zu spät. Wir lebten nur noch für die Linsen. War dennoch eine verschwunden, oder beim Einsetzen gerissen, ergriff uns Panik. Die Kosten der Linse hielten uns von allzu großzügiger Vorratshaltung ab. Da spielte die Krankenkasse auch gar nicht mit. Es musste eine andere Lösung her, sonst würden wir bald psychische und finanzielle Hilfe benötigen.
Hatte ich bereits erwähnt, dass unser Murkel im ersten halben Jahr pro Monat ungefähr drei Linsen verbummelte?!
Wir schilderten der Spezialaugenärztin, bei der wir nun in Behandlung waren, unser Problem. Es war uns gewiss auch anzusehen, dass wir mit der bisherigen Lösung nicht mehr lange durchhalten würden....
Wir diskutierten, ob wir doch das Risiko der Verpflanzung einer festen Kunstlinse eingehen sollten. Wir fanden jedoch keinen Arzt, der das Risiko eingehen wollte.
Also wechselten wie die Art der Linsen. Wir bekamen nun Linsen, die täglich gewechselt werden mussten, aber nur noch 40  € das Stück kosteten. Das Beste daran war jedoch, dass ich nach einigen Recherchen herausfand, dass wir die Linsen selbst über das Internet bestellen konnten. Das sparte nochmals 5 Tage Zeit. Unsere Optikerin war darüber wenig erfreut, sah jedoch nach einem sachlich geführten Gespräch ein, dass für uns das Wohl unseres Kindes wichtiger ist, als ihr Profit.
Seit dem geht es besser. Er verliert noch ab und an Linsen, doch sie werden schneller geliefert und wir haben oft eine Reservelinse vorrätig.
Das tägliche Handling verbessert sich, Übung macht den Meister! Es geht mir allerdings noch immer zu Herzen, wenn er einen schlechten Tag hat, und sich sträubt.
Ich bin sehr dankbar, dass er so ein fröhliches Kind ist.
Für ihn ist das alles kein Problem. Die Ärzte lieben ihn. Er hat (fast) immer gute Laune und macht jede Untersuchung anstandslos mit.
Wir waren sehr erleichtert, dass sich kein "Nachstar" gebildet hat. Denn das ist eines der. Risiken bei diesen Operationen. Ist noch ein winziges Teil im Auge verblieben, kann es wieder wachsen....
Bisher ist das nicht passiert und auch dafür bin ich sehr sehr dankbar.
Die letzten 2 - 3 Jahre waren für uns alle nicht einfach, doch es wird.
Wenn man mich fragt, ob ich vielleicht doch lieber nicht so sehr an meinem Kinderwunsch hätte festhalten sollen, kann ich nur sagen: doch !!!
Passieren kann immer etwas während einer Schwangerschaft. Unser Murkel hat seinen Weg zu uns gefunden und er ist der tollste und tapferste kleine Junge, den ich kenne (auch wenn ich da gewiss befangen bin :-)
So schauen wir hoffnungsvoll in die Zukunft und freuen uns, wenn er halbwegs normal sehen lernt, auch wenn die Sehfähigkeit vermutlich nicht über 40 - 60% mit Linsen und Brille liegen wird.
Für ihn reicht es. Dann tut es das auch für uns.
So. Nun wisst ihr, welche unterschiedlichen Wege das Leben gehen kann, um aus einem kinderlosen Paar eine fünf köpfige Familie zu machen.
Ich hoffe, es ist ein Anreiz, nicht den Kopf hängen zu lassen.
Sicher...irgendwann ist es genug und es geht nicht mehr. Das muss jeder für sich entscheiden. Ich bin jedenfalls sehr froh, bei allen drei Kindern so hartnäckig gewesen zu sein.
Sie sind das Schönste in unserem Leben.
(Obwohl ein Babysitter, der sich zutraut, auf drei kleine Kinder aufzupassen, auch nicht schlecht wäre....;-))


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